Fast vier Monate waren wir jetzt an einem Ort, froehnten ein geradezu
buergerliches Leben. In Indien hat man eine sechs Tage Woche, was nicht
heisst,dass die Woche nur sechs Tage hat, sondern dass von sieben Tagen nur einer
frei ist. Wie fasst man vier Monate zusammen, in denen alles anders war als in den
vier Monaten davor? Am 25. April geht es wieder los, Richtung Berlin. Von Auroville nach Chennai und
von dort dirtekt nach Dehli in den Sri Aurobindo Ashram, mit unseren
erstandenen Visa nach Islamabad in Pakistan und dann rauf und ueber den Karakoram Highway
nach China. Hoffentlich laesst man uns dort auch wieder raus und steckt
uns nicht in SARS Qurantaene! Von Kashgar, im Westen Chinas wollen wir
naemlich nach Kirgistan und ueber Kasachstan nach Moskau. Was werden wir von unserer Zeit in Auroville vermissen? Die rote Erde, die sich vom strahlend blauem
Himmel absetzt oder das intensive gruen, das einen wunderschoenen Konrtrast zum rot
der Erde bildet.
Auf jeden Fall wird uns der taegliche Besuch in der Solarkueche fehlen, wo
man ueber Mittag viele Aurovillianer und Gaeste; Menschen aus aller Welt
treffen kann. Es ist der starke Sinn fuer Gemeinschaft, der uns fehlen wird.
Und auch die fuer Auroville so typische Natur, der Wald und die Voegel, Mungos
und Streifenhoernchen, Geckos, ueberall Palmen. Die Cashewbaeume mit ihren roten
Fruechten. Aber gar nicht traurig werden wir um die Pestizide sein, mit den
lokale Bauern ihre Baume vor Insekten zu schuetzen hoffen. Und was haben wir die ganze Zeit so gemacht?
Wir haben tolle Leute kennengelernt, mit denen wir in Cafes sassen,
Badminton gespielt haben, Kungfu und Vingtsung trainiert haben, klettern
waren, Mountainbike Touren gemacht haben, alte Tempel auf Bergen erklettert
haben, ins Kino gegangen sind, gemeinsam zu Abend gegessen haben, durch die
Aufforstungsgebiete und Canyons gestreift sind oder Befestingungen fuer
unsere Gepaecktraeger an die Raeder angeschweisst haben. Wir haben uns unglaublich ueber Briefe und Pakete gefreut, die Schokolade,
Ersatzteile und Haarklammern beinhalteten, haben unsere Rueckreise geplant,
wobei uns der schreckliche Krieg und SARS anscheinend einen Strich unsere
Rechnung machen wollen, wir zeigten eine Fotoschow ueber unsere Reise
und als der Krieg gegen Irak begann, platzte uns der Kragen und wir
veranstalteten eine Friedensaktion. Das Meer haben wir fast bis zum Schluss gemieden; abgehalten hat uns die
Traditon der in den Doerfern am Meer lebenden Menschen, nicht nur jeden
Morgen kollektiv ins Meer zu sch... Die Einladung, mit einem Faltboot entlang der Kueste zu paddeln, wollten wir
aber auf keinen Fall ablehnen und so kamen wir doch noch dazu, einmal im
Meer zu schwimmen. Solange wir im Boot sassen, war auch alles gut, als aber
Amiram einen Sprung ins Wasser wagte, wurde er auf der Stelle von mehreren
Feuerquallen ueberfallen, die seine Arme verbrannten und deren Gift Amiram
fuer ein paar Tage ins Bett verbannte. Ganz abgesehen davon installierte Amiram in der Zeit mehrere Solarnanalgen
fuer Schulen und fuer den Sri Aurobindo Ashram in Pondicherry und ein
Kleinwasserkraftwerk in Orissa und tueftelte an solar betriebenen
Fahrraedern, waehrend ich an einem Handbuch fuer Oekostaedte schrieb, wobei
ich mich hauptsaechlich der Verkehrsplanung, Abfall- und Abwassermanagement widmete. Wie sehen wir die Zukunft dieser internationalen Oekostadt?
Das draengenste Problem ist Frischwasser. Seit den letzten Jahren hat es
sehr wenig geregnet und viele Brunnen trocknen aus. Noch kann niemand sagen,
ob die Anstrengungen, den Wasserverbrauch drastisch zu senken, Erfolg haben
werden und wie man Wasser fuer eine wachsende Bevoelkerung zur Verfuegung stellen
soll. Instensive Forschungsarbeit im Bereich Regenwasserspeicherung,
Aufforstung und ein bewusster Gebrauch von Frischwasser koennen hoffentlich dafuer
sorgen, dass genuegend Wasser auch in Zukunft zur Verfuegung stehen wird.
Unwissende Stimmen von ausserhalb muessen aber noch aufgeklaert werden, die
behaupten, die Baeume, die so viel Wasser verdunsten, seien das wahre
Problem. Da hat wohl jemand noch nicht die Grundzuege der Oekologie zur Kenntnis
genommen: Baeume sind notwendig, um Wasser im Boden halten! Noch ist der Verkehr vergleichbar zu anderen indischen Staedten harmlos,
aber selbst Aurovillianer scheinen diesbezueglich nicht sonderlich vom Rest
der Menscheit zu unterscheiden und stehen auf Mopeds und noch mehr auf
schwere Enfields, einige sind sogar der Meinung, sie braeuchten ein eigenes Auto.
Die Entfernungen sind oft nicht groesser als 4 km, aber solange Verkehr und
Luftverschmutzung nicht zu einem ganz akuten Problem wird, sehen wir nicht,
dass die Mehrheit der Aurovillianer auf zukunftsfaehige Human Powered Vehicles
umsteigen wird. Es gibt aber einige Sterne in dieser Stadt, die mit voller Freude und
Ueberzeugung dem Genuss nachgehen, mit dem Rad durch Aurovilles Waelder zu fahren. Nach unseren phantastischen Erlebnissen mit so vielen engagierten und
interessanten Menschen in dieser Stadt hoffen wir aber von ganzem Herzen, dass
Auroville wachsen wird und mit der Einwohnerzahl auch die Anzahl von Menschen,
die im bewussten Zusammenleben mit Voelkern aus aller Welt und im Einklang mit
der Natur den Charakter und die Werte dieser Projektstadt noch ausbauen
werden. Danke Auroville!
Raus aus der Stadt, rein ins Gruene!
Pondicherry hoert dort auf, wo sich Kokosnusspalmen ueber die Strasse woelben und der Verkehr weniger wird. Bald kann man aufatmen. Es geht nach Auroville. Und was ist Auroville?
13 Kilometer noerdlich von Pondicherry und 160 km suedlich von Chennai fast direkt am Meer auf einem Plateau liegt eine kleine Stadt mit ca. 2000 Einwohnern, fuenftausend Leute aus Pondi und hauptsaechlich aus umliegenden Doerfern haben hier einen Job gefunden, 1000 Gaeste sind ungefaehr zu jeder Zeit in Auroville, ausserdem ca. 100 Studenten und andere forschende.
Soviel zu den Zahlen. Manche kommen, um Urlaub zu machen, manche im Rahmen ihrer Arbeit, viele kommen, um zu meditieren oder Yoga zu praktizieren, einige arbeiten an Projekten im sozialen oder im Umweltbereich. Viele ueberlegen sich, ganz zu bleiben. Vor fuenfunddreissig Jahren kamen die ersten Siedler. Sie waren Visionaere, aber gleichzeitig auch Praktiker. Sie stellten sich auf einer absolut oeden Ebene ein fruchtbares Land vor, mit einer Stadt fuer Menschen aus aller Welt, die auf nachhaltige Weise hier leben wollen. Sie fingen an Baeume zu pflanzen und bis heute und auch fuer die Zukunft ist diese Arbeit elementar, um das Gebiet bewohnbar zu machen. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden ueber 2 Millionen Baeume gepflanzt!
Als die ersten Unterstuetzer ankamen, wurde eine Gemeinschaftskueche gebaut, um die neuen Mitstreiter gebuehrend mit einem guten Essen zu empfangen. Mehr und mehr Menschen kamen und halfen mit. Sie hinderten das Wasser in der Regenzeit daran, den gesamten Boden abzutragen und ins Meer zu schwemmen, indem sie check-dams bauten, sie bearbeiteten das Feld und bauten kleine Siedlungen. Es kamen Kuenstler, Wissenschaftler Lehrer und viele andere Menschen aus Europa, Indien, Amerika, Australien, aus verschiedenen Teilen Asiens, aus Suedamerika…
Sie kauften Land, pflanzten weitere Baeume, organisierten Gruppen, die den umliegenden Doerfern halfen, installierten mit Windkraft betriebene Pumpen, stellten Solaranlagen auf, bauten private und oeffentliche Haeuser und Gebauede in allen Formen, unternahmen Versuche in vielen Bereichen der Paedagogik in den Schulen, die sie fuer Aurovillianer und fuer Kinder aus den Doerfern bauten, beantragten finazielle Unterstuetzung bei verschiedenen Institutionen und Regierungseinrichtungen, zerbrachen sich den Kopf ueber die Zukunft ihrer Stadt, organisierten Einrichungen fuer die Allgemeinheit, probierten neue Wege in der Landwirtschaft, in der Abwasserentsorgung, in der Wasseraufbereitung, im sozialen Bereich sowie auf vielen anderen Gebieten. Jeder hat die Moeglichkeit, sich je nach Faehigkeit und Interesse auf die ein oder andere Weise fuer die Gemeinschaft einzusetzen. Die Aufgaben sind vielfaeltig und reichen von Essen in der Gemeinschaftskueche austeilen, die taeglich fuer ueber 2000 Menschen ein Mittagessen bereitstellt, Filme zeigen oder experimentieren an einen komfortableren Strassenbelag bis hin zu den oben genannten Bereichen. Und was machen wir hier? Mareike:
Weil ick ja so ein tiefes Interesse an Oeko und Umwelt und so habe und zudem noch Landschafts- und Umweltplanung studiere, fand ich ein Praktikum im Planungsbuero von Auroville (AuroFuture) ganz passabel.
Ich arbeite an einem Handbuch ueber ‚eco-cities’, damit sich indische Staedte eine Art Leitfaden zur Hand nehmen koennen, wenn sie sich auch in diese Richtung entwickeln moechten.
Ich sammle alle Daten bezueglich oekologischer Stadt- und Landschaftsplanung in Auroville, liste Indikatoren auf, gebe Referenzen von anderen Staedten, Projekten, Initiativen und sammle Internetsteiten zu diesem Thema.
Dazu gehoeren Themen wie: nachhaltige Trinkwasserbereitstellung und Sicherstellung, Abwasserbehandlung, Verkehrsplanung, oekologische Landwirtschaft, Alternative Energien, nachhaltige Muellkonzepte und so weiter. Zusaetzlich bereite ich eine Wasserkampagne vor, in dessen Rahmen das Bewusstsein ueber dieses kostbare und im Sommer (in diesem kann es sehr knapp werden) oft rare Gut geschaerft werden soll. Initiativen sollen gewckt werden, um mit herkoemmlichen und alternativen Techniken Wasser zu sparen, wo immer es moeglich ist Amirams besonderes Interesse gilt schon seit langer Zeit den erneuerbaren Energien. Vor unserer
Abreise war Amiram in Berlin in der Photovoltaikbranche (Solarstrom) taetig. Gluecklicherweise ist
Auroville gerade in diesem Bereich sehr innovativ und projektstark und nun arbeitet Amiram
bei Auoville Energy Products und installiert Solaranlagen fuer Doerfer und Schulen im Umland
im Rahmen von Projekten zur Wiederaufforstung des immergruenen trockenen Regenwaldes.
Ein weiteres Projekt war die Inbetriebnahme eines kleinen Wasserkraftwerkes in
einer "Tribal Area" im Koraput Distrikt in Orissa. Das Bergdorf Putsil mit seinen 80 Familien,
fernab jeder Netzversorung, versorgt sich mit Hilfe dieses 13,5kW Wasserkraftwerkes selbst mit Elektrizitaet. Das Projekt wurde 1999
in Kooperation von Auroville Energy Products und einer NGO (WIDA) durchgefuehrt und wurde seither
sehr erfolgreich von den Dorfbewohnern und WIDA selbst betrieben!
WIDA arbeitet seit 25 Jahren mit der indigenen Bevoelkerung in Orissa an vielen Projekten wie
z.B. Wiederaufforstung, Ausbildung, Gesundheitsvorsorge und Einkommensgenerierung. Das Putsil-Micro-Hydro-Project ist hierbei ein Paradebeispiel. Es zeigt wie man mit
Einbeziehung der lokalen Bevoelkerung nachhaltige Entwicklungsprojekte realisieren kann, die
unsere natuerlichen Lebensgrundlagen erhalten, den Klimaschutz vorantreiben und den Weg in eine
dezentrale erneurbare Energiewirtschaft aufzeigen.
Ausserdem beschaeftigt sich Amiram mit der Entwicklung von lokal produzierten Solarfahrzeugen.
Konkret sind das ein Elektro-Moped und E-Bikes die solar
aufgeladen werden. Kurzfristig koennten diese Fahrzeuge als Sofortmassnahme eine immense
Verbesserung fuer indische Staedte darstellen. Natuerlich ist langfristig nur daran zu
denken, den motorisierten Individualverkehr drastisch zu senken, will man
verstopfte Strassen und die Umwelt entlasten.
Auch hier in Auroville sind wir nicht untaetig was unsere Kampagne zum sauberen Verkehr angeht, schreiben Artikel, setzen uns fuer verbesserte Bedingungen fuer Radfahrer in Auroville ein und versuchen, so viele wie moeglich vom Abenteuer Rad zu begeistern. 14.11.2002 Attari Border-Amritsar "The
day after" Was man so alles machen kann Zum Goldenen Tempel fahren
Das war ein Spass!
Und alles war anders! Wir sahen wieder Frauen in buntern Kleidern auf
Fahrraedern und auf Vespas fahren, Colleges extra fuer Frauen. Hunde und
Schweine am Strassenrand, Kuehe ueberall, manchen machen auch ein Paueschen
mitten auf der Srasse. Und wir mitten drin. Dann der Goldene Tempel! Hier
ist alles so gut durchorganisiert, dass man gar nicht so viel selber machen
muss. Man teilte uns ein Zimmer zu (ein eigenes und es kostete nichts!)
und zeigte uns den Weg zum eigentlichen Tempel. Mit Kopfbedeckung und
im eigenen Shalwakami (ob man das so richtig schreibt?) liefen wir den
langen Weg zum heiligen Becken, in dem der atemberaubende Goldene Tempel
steht.
Wir machten die ganze Zeremonie mit, so wie wir es bei den anderen sahen
und waren wirklich beeindruckt!!
Wir besorgten uns eine Broschuere ueber die Sikh-Religion und begannen
uns mit den Religionen in Indien auseinanderzusetzen.
Drei Wochen Delhi.
Das war wirklich kein Vergnuegen und wir beide waren heilfroh als wir
es letztendlich geschafft hatten Delhi den Ruecken zu kehren.
Wir hatten uns vorgenommen in der Hauptstadt verschiedene Organisationen
(Greenpeace, Heinrich-Boell-Stiftung, CSE, WWF etc.) zu besuchen und fuer
mich und Mareike nach geeigneten Projekten zu suchen, bei denen wir teilnehmen
koennten. Das ganze streckte sich dann laenger hin als wir geplant hatten>
Nicht zuletzt weil uns kurz nach Ankunft in Delhi Darminfektionen so darnieder
streckten das wir abwechselnd mit Fieber im Bett lagen und sogar kurz
ins Krankenhaus mussten, da das Fieber nicht mehr sank.
Zu guter Letzt stand dann fest das wir wie geplant nach Auroville fahren
wuerden. Nach der Tortur auf der Great Trunk road, mit all den Abgasen,
dem Staub, dem Gehupe und den moerderischen LKW’s hatten wir vorerst
nicht mehr so richtig Lust auf’s radeln in Indien. Hinzu kam unser
angschlagener Gesundheitszustand. Wir entschieden uns also mit dem Zug
bis Chennai zu fahren und wuerden dann dort entscheiden wie es weitergehen
wuerde.
Chennai 14.12.2002-17.12.2002
Auf der 33 stuendigen
Zugfahrt bekam ich einen Rueckfall mit hohem Fieber und war heilfroh als
Mareike mich in Chennai samt Gepaeck in ein ruhiges Zimmer verfrachtet
hatte (250 Rs~5,3Euro). Mareikes und meine Stimmung war hier an dem absoluten
Tiefstpunkt unserer Reise angelangt und wir ueberlegten mehr als einmal
ob wir unter diesen Umstaenden weiterfahren wollten, oder ob wir nicht
das Handtuche werfen.
Nach drei Tagen im Hotelbett fuehlte ich mich reisefaehig und wir entschieden
uns Chennai in Richtung Western Gats zu verlassen. Mit einem Nachtzug
ging es dann in 8h nach Mettupalayam in die Ebene vor den Nilgiri Hills.
Flucht in die Berge
Mettupalayam-Ooty 18.12.2002-23.12.2002
Schon bei der Ankunft
in Mettupalayam spuerten wir das wir nun in einer Umgebung angekommen
waren in der wir wieder Kraft schoepfen koennten.
Stampfend und fauchend schob uns dann eine alte Miniaturdampflok die letzten
50km steil bergauf, vorbei an Kokospalmen und Bananenstauden und spaeter
durch tropischen Urwald. In groesserer Hoehe lichtete sich der Wald und
Teeplantagen bedeckten die Haenge. Wir genossen die gemaechliche Fahrt,
Wasserfaelle und tiefe Schluchten. Die ganze Atmosphaere war abenteuerlich
und die Kulisse so berauschend das es fast irreal wirkte. Speziell nach
den letzten Wochen in indischen Grossstaedten.
In Ooty, das ueber
mehrere Huegel verteilt oberhalb von 2000m liegt, waren wir dann wunderbar
in dem Reflections Guest House untergebracht (250 Rs~5,3Euro). Obwohl
Ooty durch massive Anpflanzung von Eukalyptus und vielen Siedlungen viel
von seiner urspruenglichen Schoenheit verloren hat, ist es troztdem ein
toller Ort zum wandern, radfahren in den Bergen, oder einfach zum erhohlen
(im Winter tagsueber Temperaturen um die 16-20 Grad und Abends bis ca.
0 Grad.) Die starke Sonne in der Hoehe waermt aber noch viel mehr auf.
Wir hatten sehr viel Sonne.
Wir wanderten, einmal sogar in einer Gruppe mit einem Fuehrer, radelten
und erhohlten uns zum ersten mal seit unserer Ankunft in Indien. Mit Subu
dem Fuehrer unseres Tagestreks verabreten wir uns fuer eine Wildlife-Safari
im Tal am anderen Ende der Nilgiri Hills. Dort liegt das Mudumulai Wildlife
Sanctuary, in dem Elefanten, Bueffel, Baeren, Affen, Leoparden, Wildschweine
und Tiger leben.
Veerapeen, der Bandit der Nilgiri Hills
Ooty-Masinagudi (Mudumulai Wildlife Sanctuary) 23.12.2002-25.12.2002
Endlich wieder auf
dem Rad! Die Fahrt ins Tal nach Masinagudi war bereits der pure Genuss.
Etwas mehr als 30km auf einer engen Serpentinenstrasse mit wenig Verkehr,
vorbei an kleinen Feldern und durch Urwald mit exotischem Vogelgezwitscher
und der Gewissheit das dort verborgen grosse wildlebende Tiere herumstreifen.
Schoener haette es kaum sein koennen. Im Tal angekommen war die Vegetation
dann wie im afrikanischen Busch, weit ausladene Baeume und Dornenstraeucher
und spuren von grasenden Tieren. Wahrscheinlich hier ausserhalb des Parks
hauptsaechlich Kuehe. Dann unsere erste Begegnung mit wild lebenden Affen.
Die Makakenfamilie am Strassenrand beaeugte uns genauso neugierig wie
wir sie.
Bei unserer ankunft im Ort trafen wir dann direkt auf Subu der uns zu
unserem Hotel begleitete. Das Green Park Resort (300Rs ~6,4Euro) war gut
gefuehrt, aber trotzdem fast leer. Ausser uns waren maximal noch zwei
andere Gruppen in dem Komplex. Das lag sicher auch daran das Westler der
Zugang zu dem Sanctuary zur Zeit nicht erlaubt war.
Ein gewisser Veerapeen, ein Bandit mit Robin Hood Charakter, sorgt seit
einigen Jahren in den Waeldern der Nilgiris fuer Unruhe. Er und seine
ca. 30 Mann starke Bande sollen Sandelholz und Elfenbein schmuggeln und
auch andere Tiere wildern. Auch Geiselnahmen werden dem „Briganden“
zur Last gelegt. Die spektakulaerste war die eines indischen Filmstars.
Ich persoenlich vermute ja Veerapeen ist ein echter Cineast und hatte
die Nase voll von dem Bollywood-geschmuse und gemetzele und konnte nicht
dulden das die wunderbaren Nilgiris fuer so etwas misbraucht wuerden.
Andererseits ist Veerapeen so eine Art lokaler Held, der die Ureinwohner
der Berge und deren Braeuche achtet vor korrupter Polizei schuetzt und
dafuer sorgt dass die Natur halbwegs in Ruhe gelassen wird.
Die Polizei scheint jedenfalls nicht in der Lage, oder gewillt zu sein
Ihn zu fassen. Veerapeen soll auch Verbindungen zu hohen Stellen der Politik
haben, die eine effektive Verfolgung verhindern.
Wie auch immer, der Bandit der Nilgiris sorgt auf jedenfall fuer Gespraechsstoff
Geruechte und Mythen.
„Schnell weg
die Baeren kommen auf uns zu!!!“
Zu unserer Safari mit Subu brachen wir bei Sonnenaufgang auf. Im Nebel
entlang eines Kanal machten wir uns dann auf Spurensuche. Ein frischer
Kothaufen hier, ein Paar Fussstapfen da und dann der erste Baer im Halbdunkel.
Nur ganz kurz sichtbar und kaum zu erkennen, sass er halb hinter einem
Gebuesch auf der anderen Uferseite und war auch schon verschwunden als
wir ihn entdeckten. Subu aergerte sich ueber seinen Kollegen der nach
dem Entdecken der Spuren nicht geglaubt hatte das der Baer immer noch
in Naehe sei. Unterwegs sahen wir ein Horde Affen in einem grossen Baum
bevor wir nach einigem laufen vorbei an dichtem Gestruepp auf schmalen
Trampelpfaden entlang des Wassers auf groesseres stiessen. Wir sahen in
einiger Entfernung erst zwei und dann drei wilde Elefanten auf der anderen
Uferseite grasen. Der Wind stand fuer einige Minuten guenstig und wir
blieben untentdeckt. Dann drehte der Wind und die Elefanten nahmen unsere
Witterung auf, verschwanden aber nicht sofort. Erst als Subus Kollege
sich eine der stinkenden indischen Zigaretten anzuenden musste, worueber
sich Subu furchtbar aergerte, verzogen sich die drei Urwaldriesen ins
Dickicht.
Spaeter auf dem Rueckweg durch den Busch, blieben wir an einer kleinen
Lichtung stehen und beobachteten ein Rascheln in einem ca. 20m entfernten
Busch. Subu sagte das er dort „Sloth-Bears“ vermutete. Die
ganze Szene mit den raschelnden Bueschen war wie aus einem alten Safari
Film. Dann, ganz langsam kam ein pelzige Gestalt aus dem Busch. Ich hatte
die Kamera bereit als ein zweiter und dann noch eine dritter Baer herauskamen.
Als der dritte fast draussen war sagte Subu heftig „Lets go quick
they come towards us. „Mist kein Foto gemacht“, dachte ich.
Ich haette einfach mehrmals abdruecken sollen. Hinter dem kleinen Huegel
ueber den wir gelaufen waren, sahen wir erstmal nichts mehr. Als wir uns
dann gerade wieder zur Kuppe schleichen wollten wurden drei Schnauzen
auf der Kuppe sichtbar. Einen Augenblick lang starrten die Baeren uns
und wir die Baeren an, ohne genau zu wissen was als naechstes passieren
wuerde. Dann verschwanden die Baeren grunzend. Wir sprangen auf die Kuppe
hinauf und sahen nur noch die weghoppelnden Hinterteile. Auch diesmal
hatte ich kein Foto gemacht. Ich aergerte mich einerseits, war aber andererseits
sehr froh die seltenen Tiere ueberhaubt gesehen zu haben.
Die tolle Safari am 24.12 hatte jedenfalls unter einem guten Stern gestanden
war irre spannend und wir haben eine Menge Tiere gesehen.
Masala Chai
Masinagudi-Ooty-Coonoor 25.12.2002-27.12.2002
Am naechsten Tag ging
es dann via Ooty nach Coonor, einem zweiten Hoehen-Erhohulgsort auf ca.
1800m Hoehe.
Von dort aus unternahmen wir eine wundervolle Tagestour mit den Raedern
vorbei an traumhaften Teeplantagen und durch Urwaelder zur Dolphin’s
Nose. Von diesem Aussichtspunkt hat man einen wunderbaren Blick auf die
St. Catherins Falls, an denen das Wasser ca. 100m in die Tiefe stuerzt.
Eine unschoene Begleiterscheinung solcher Aussichtspunkte ist die Masse
an Touristen die mit Bussen ueber die engsten und zerfurchtesten Strasssen
herangekarrt werden. Mit solchen Touries kommen die Abgase, der Staub
und der Muell. Wir goennten uns dann noch einen Masala Chai (schwarzer
Tee mit Gewuerzen) bevor wir wieder zurueckradelten.
Buspannen, Moskitos und droenende Tempelmusik
Coonoor-Palani-Kodaikanal 27.12.2002-28.12.2002
Von Coonor aus fuhren
wir ins die ca. 35km ins Tal, auch diese Abfahrt war traumhaft, und stiegen
dann in Mettupalyam in einen Bus in Richtung Kodaikanal in den Palani
Hills. Da es keinen direkten Bus gab fuhren wir zuerst in staubiger Hitze
in Richtung Palani. In Coimbatore, der groessten Stadt in der Umgebung
hatte unser Bus dann einen Getriebeschaden und alle Fahrgaeste, bis auf
uns, wechselten das Fahrzeug waehrend wir nichts ahnend auf die Weiterfahrt
warteten. Letztendlich wurde der Bus zur Werkstadt der staatlichen Busgesellschaft
gefahren und wir warteten mehr als eine Stunde in der Mittagshitze mitsamt
unserem Gepaeck vor der Einfahrt.
Am spaeten Nachmittag erreichten wir dann die Pilgesrstadt Palani am Fusse
des gleichnamigen Gebirges. Fuer eine Weiterfahrt war es zu spaet und
wir waren ohnehin ziemlich erschopft von der halsbrecherischen Busfahrt.
Am Abend wimmelte Palani nur so von Pilgern. Von ueberall her drohente
Tempelmusik und die Luft war voller Moskitos. Mit anderen Worten die indische
Ebene hatte uns wieder.
„Radfahrer im Nebel“ mit Mareike T. und Amiram R-D
Kodaikanal 28.12.2002-02.01.2003
Am naechsten Tag ging
es dann wieder in ruhigere Berglandschaften. Kodaikanal auf seinen ca.
2100m Hoehe lag inmitten von Wolken als wir ankamen.
In den naechsten Tagen unternahmen wir mehrere Touren mit dem Rad zu verschiedenen
Aussichtspunkten radelten um den sehr schoenen See herum oder gingen wandern.
Das Wetter hier in Kodaikanal unterschied sich sehr von dem dauernden
Sonnenschein in Ooty. Die meiste Zeit lagen Taeler unterhalb der Stadt
im Nebel, oder der gesamte Himmel war neblig. Die Wolken und der Nebel
schafften aber keine truebe Stimmung, sondern waren ein spannendes Naturschauspiel,
wenn man z.B. eine Wolkenfront durch eine Strasse ziehen sah und alles
darin verschwand.
Wir unternahmen auch hier eine gefuehrte Wanderung, waren aber ziemlich
enttaeuscht, da wir fast nur in der Naehe des Stadtgebietes blieben und
diese Tour auch alleine haette machen koennen. Noch viel schlimmer war
allerdings das wir am Ende in verbotene Gebiete liefen und beim herauskommen
von anderen Touristen beobachtet wurden. Eine sehr peinliche Situation
fuer jemanden der den Anspruch erhebt oekologisch zu reisen. Wir machten
dem Guide und dem Veranstalter spaeter unmissverstaendlich klar das solche
Touren in Zukunft besser in erlaubtem Gebiet bleiben sollten.
Am Sylvesterabend spazierten wir nach einem guten tibetischen Essen durch
die Strassen und ueberlegten hin und her ob wir uns ein Bier kaufen sollten
oder nicht. Am Ende entschieden wir uns dann aber dafuer mit Gaensewein
auf das neue Jahr anzustossen. Bis ca. 22 Uhr waren die Strassen voll
mit Menschen und alle Leute gingen einkaufen und schienen in grosser Feierstimmung
zu sein. Wir waren gespannt auf das Gewimmel um 24 Uhr. Entgegen unserer
Erwartungen gab es dann lediglich zwei Feuerwerke die zu Parties in groesseren
Hotels gehoerten, aber ansonsten blieb alles leer. Keine Feiernden auf
den Strassen und keine Festivalstimmung. Wir beide hielten es auch nicht
alzu lange draussen aus und liessen das neue Jahr ganz ruhig beginnen.
Super Deluxe Video Coach with Dolby Surround Sound System
Kodaikanal-Auroville 02.01.2003-03.01.2003
Nun neigte sich die
erste Haelfte unserer Tour dem Ende zu und wir machten uns auf den Weg
in Richtung Auroville. Etwas wehmuetig weil wir jetzt fuer ein paar Monate
nicht unterwegs sein wuerden, hauptsaechlich gluecklich und neugierig
auf Auroville und unsere Arbeit dort.
Vor der Ankunft konnten wir aber noch eine grossartige Abfahrt vopn Kodaikanal
in die Ebene geniessen. So wenig Verkehr wie nie zuvor in Indien ging
es ca. 60km bergab bevor wir am Abend in den Super Deluxe Video Coach
mit Dolby Surround System stiegen. Haetten wir nur vorher gewusst was
uns erwartet. Eigentlich wollten wir ja mit dem Zug fahren, hatten aber
zu spaet das Ticket kaufen wollen. Nun aber sassen wir mit einer Gruppe
Studenten aus dem Oman und indischen Reisenden in einem von aussen ganz
nett wirkenden Fahrzeug, das siche waehrend der Fahrt aber zu einer Folterkammer
verwandelte.
Nein diesmal war es nicht der hoellische Fahrstil, das haetten wir aushalten
koennen. Nein es war die Video und Soundanlage die uns die Nerven raubte.
Die Qualen begannen als der Busbegleiter eine Videokassette mit indischen
Musikvideos einlegte und wir eine stundenlange Dauerbeschallung ueber
uns ergehen lassen. An Schlaf war da nicht zu denken. Als die Kassette
dann irgendwann mitten in der Nacht zuende war, wurde gleich ein Tamilischer
Blockbuster hinterher geschoben, zwar nicht ganz so laut und quitschig
aber immer noch eine Folter fuer jeden Kinoliebhaber.
Irgendwann morgens um vier, der zweite Film hatte Gott sei dank normale
laenge gehabt und war seit einiger Zeit zuende, kamen wir in Vettupalayam
an und entluden unsere Raeder. Erleichtert, dass sie diese Fahrt unbeschadet
ueberstanden hatten beluden wir die Bikes und radelten nach einer kurzen
Pause durch die stockfinstere Nacht in Richtung Pondycherry. Schlaftrunken
fuhren wir die ca. 40km erst in Finsternis und dann dem Sonnenaufgang
ueber dem Meer entgegen. Bei sehr geringem Verkehr und relativer Ruhe,
die Tempellautsprecher starteten um ca. 5 Uhr ihre grausame Beschallung,
war das fahren angenehm und eine neue geradezu surreale Erfahrung. In
Pondy dann der Golf von Bengalen.
Seit der Tuerkei waren wir nicht mehr in der Naehe eines Meeres gewesen.
Muede, mehr von der Busfahrt als vom radfahren, und ziemlich zerknittert
schossen mir Bilder der inzwischen zurueckgelgten Strecke in den Kopf:
Die iranische Wueste, Beluchistan, die gruenen Waelder der Nilgiri Hills.
Ich empfand ploetzlich eine sehr grosse Zufriedenheit und Ruhe und hatte
das gute Gefuehl unser erstes Ziel erreicht zu haben. Die Erinnerung an
die Strapazen, speziell in den Wochen in Delhi und Chennai schrumpfte
und ich hatte Lust auf das was vor uns lag.